Battles without Honor and Humanity (1973)
Jingi naki tatakai
"Zeitlos No 18": In seiner Retro-Reihe bringt der Verleih Rapid Eye Movies diesen Klassiker des japanischen Gangsterfilms in die Kinos.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Der Kriegsveteran Shozo Hirono (Bunta Sugawara) ist eine der vielen verlorenen Seelen, die im Japan der Nachkriegszeit nicht wissen, wohin. Auf den Straßen der Stadt Kure in der Präfektur Hiroshima blühen Schwarzhandel und Gewalt. Weder die amerikanischen Besatzer noch die japanische Polizei bekommen die Probleme in den Griff. Es sind die Yakuza, kriminelle Organisationen, die den Ton angeben.
Als Hirono einen Yakuza, der zuvor seinen Freund angegriffen hatte, aus Rache umbringt, landet er im Gefängnis. Dort freundet er sich mit einem anderen Yakuza, Hiroshi Wakasugi (Tatsuo Umemiya), einem Mitglied des Doi-Syndikats, an. Wieder auf freiem Fuß schließt sich Hirono mit einigen seiner Kriegskameraden dem Yamamori-Syndikat an. Als die zwei Syndikate in Konflikt miteinander geraten, gerät auch die Freundschaft zwischen Hirono und Wakasugi in die Schusslinie.
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Filmkritik
"Battles without Honor and Humanity": Yakuza-Revolution
Auch wenn die Vergangenheit unveränderbar ist, so kann sich der Blick auf sie wandeln. Denn die Geschichtsschreibung hängt stets von den Perspektiven und Politiken ihrer Verfasser ab. Ein Beispiel aus der Filmhistorie ist der Regisseur Kinji Fukasaku (1930–2003). Fand er in frühen Werken über das japanische Kino kaum Beachtung, weil seine Filme als "Gewaltfilme" angesehen wurden, "die den Yakuza-Film von seinem sozialen Umfeld und von menschlichen Gefühlen befreiten und die Gewalt gewissermaßen in Reinkultur vorführten" (Keiko Yamane: "Das japanische Kino", 1985), so wird Fukasaku zwei Jahrzehnte später von einem Filmhistoriker wie Inuhiko Yomota in dessen Publikation "Im Reich der Sinne. 100 Jahre japanischer Film" bereits als "die schillerndste und aktivste Persönlichkeit" der japanischen Filmindustrie der 1970er-Jahre beschrieben.
Dieser Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung hat diverse Gründe. Einer davon ist die Wertschätzung heimischer wie internationaler Kollegen. Regisseure wie Takeshi Kitano, Takashi Miike, John Woo, William Friedkin oder Quentin Tarantino haben Fukasaku als Inspirationsquelle genannt. (Miike hat gar ein Remake von Fukasakus "Graveyard of Honor" gedreht.) Ein anderer Grund ist Fukasakus später internationaler Durchbruch. Erst sein Survival-Actioner "Battle Royale" (2002), in dem Kitano eine prominente Rolle einnimmt, machte den Filmemacher kurz vor seinem Tod – er starb während der Dreharbeiten der Fortsetzung, die von seinem Sohn beendet wurden – weltweit bekannt und führte dazu, die Aufmerksamkeit auf Fukasakus Gesamtwerk zu richten. Und ein weiterer, aber bei Weitem nicht der letzte Grund ist die allgemeine Wertschätzung, die dem Genre des Yakuza-Films in der japanischen Filmgeschichte inzwischen beigemessen wird. In Publikationen wie dem "Japanese Cinema Book" vom British Film Institute füllt es längst ganze Kapitel.
Rasante Story, blutige Action, verworrene Strukturen
Wie wegweisend eine Filmreihe wie "Jingi naki tatakai", so der Originaltitel von "Battles without Honor and Humanity", war, davon können sich Genrefans nun im Kino überzeugen. Der auf asiatische Filme spezialisierte Verleih Rapid Eye Movies bringt den Auftaktfilm, dem bis 1974 vier weitere folgen sollten, im Rahmen seiner "Zeitlos"-Reihe zurück auf die große Leinwand. Von der ersten Minute an wird klar, was Fukasakus Kollegen an ihm schätzten.
Das Tempo ist hoch, die Gewalt unerbittlich. Wenn Arme mit dem Schwert abgetrennt werden und das Blut in Fontänen spritzt, dann muss das nicht nur ein Schock für das Publikum gewesen sein, diese Szenen weisen auch auf die Filme Miikes und Tarantinos voraus. Mit den "Edelmut-Streifen" (Yomota), jener Reihe an Yakuza-Filmen, die in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre im Kyōtoer Studio der Produktionsgesellschaft Tōei hergestellt wurden, hat das allenfalls noch den Plot aus "Dankesschuld und Verrat" (Yomota) gemein. Die von Tōei hingegen in deren Studio in Tokio produzierten Streifen lehnten "Nostalgie nach traditioneller Formensprache, melodramatische Sentimentalität oder ähnliches rundherum ab" (Yomota).
Fukasaku setzt dem eine neue Formensprache entgegen. Nachrichtlich anmutende Einblendungen auf Standbilder führen die einzelnen Charaktere ein. Der Einsatz einer Handkamera und von Zooms bei gleichzeitiger Verwendung des Cinemascope-Verfahrens führt zu teils chaotisch anmutenden Actionsequenzen, die bis heute nichts von ihrer Dynamik verloren haben. So frisch Tempo, Chaos und eine unsentimentale Art seinerzeit auch auf das Publikum gewirkt haben müssen, sie sind gleichzeitig die größte Schwäche eines Films, dessen Regisseur sich wenig darum schert, ob sein Publikum den Überblick behält.
Die Emotionslosigkeit der Figuren macht es schier unmöglich, sich auch nur mit einer von ihnen zu identifizieren. Die wenigen Gefühle, die die Figuren zeigen, wirken aufgesetzt. Wüsste man es nicht besser, dann könnte man aufgrund der Unmenge an Figuren in schwer zu durchschauenden Hierarchien, der zahllosen Handlungsstränge und der vielen Zeitsprünge den Eindruck gewinnen, hier wäre die komplette Filmreihe als ein Best-of in die überschaubare Laufzeit von 99 Minuten gequetscht worden.
Fazit: Der japanische Regisseur Kinji Fukasaku revolutionierte mit seiner fünfteiligen Reihe "Battles without Honor and Humanity" das Genre des Yakuza-Films. Tempo, Action und Formensprache des 1973 entstandenen Auftaktfilms sind bis heute beeindruckend. Was die Figurenzeichnung und die Narration anbelangt, nimmt sich der Film hingegen fahrig, sprunghaft und chaotisch aus.
Auch wenn die Vergangenheit unveränderbar ist, so kann sich der Blick auf sie wandeln. Denn die Geschichtsschreibung hängt stets von den Perspektiven und Politiken ihrer Verfasser ab. Ein Beispiel aus der Filmhistorie ist der Regisseur Kinji Fukasaku (1930–2003). Fand er in frühen Werken über das japanische Kino kaum Beachtung, weil seine Filme als "Gewaltfilme" angesehen wurden, "die den Yakuza-Film von seinem sozialen Umfeld und von menschlichen Gefühlen befreiten und die Gewalt gewissermaßen in Reinkultur vorführten" (Keiko Yamane: "Das japanische Kino", 1985), so wird Fukasaku zwei Jahrzehnte später von einem Filmhistoriker wie Inuhiko Yomota in dessen Publikation "Im Reich der Sinne. 100 Jahre japanischer Film" bereits als "die schillerndste und aktivste Persönlichkeit" der japanischen Filmindustrie der 1970er-Jahre beschrieben.
Dieser Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung hat diverse Gründe. Einer davon ist die Wertschätzung heimischer wie internationaler Kollegen. Regisseure wie Takeshi Kitano, Takashi Miike, John Woo, William Friedkin oder Quentin Tarantino haben Fukasaku als Inspirationsquelle genannt. (Miike hat gar ein Remake von Fukasakus "Graveyard of Honor" gedreht.) Ein anderer Grund ist Fukasakus später internationaler Durchbruch. Erst sein Survival-Actioner "Battle Royale" (2002), in dem Kitano eine prominente Rolle einnimmt, machte den Filmemacher kurz vor seinem Tod – er starb während der Dreharbeiten der Fortsetzung, die von seinem Sohn beendet wurden – weltweit bekannt und führte dazu, die Aufmerksamkeit auf Fukasakus Gesamtwerk zu richten. Und ein weiterer, aber bei Weitem nicht der letzte Grund ist die allgemeine Wertschätzung, die dem Genre des Yakuza-Films in der japanischen Filmgeschichte inzwischen beigemessen wird. In Publikationen wie dem "Japanese Cinema Book" vom British Film Institute füllt es längst ganze Kapitel.
Rasante Story, blutige Action, verworrene Strukturen
Wie wegweisend eine Filmreihe wie "Jingi naki tatakai", so der Originaltitel von "Battles without Honor and Humanity", war, davon können sich Genrefans nun im Kino überzeugen. Der auf asiatische Filme spezialisierte Verleih Rapid Eye Movies bringt den Auftaktfilm, dem bis 1974 vier weitere folgen sollten, im Rahmen seiner "Zeitlos"-Reihe zurück auf die große Leinwand. Von der ersten Minute an wird klar, was Fukasakus Kollegen an ihm schätzten.
Das Tempo ist hoch, die Gewalt unerbittlich. Wenn Arme mit dem Schwert abgetrennt werden und das Blut in Fontänen spritzt, dann muss das nicht nur ein Schock für das Publikum gewesen sein, diese Szenen weisen auch auf die Filme Miikes und Tarantinos voraus. Mit den "Edelmut-Streifen" (Yomota), jener Reihe an Yakuza-Filmen, die in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre im Kyōtoer Studio der Produktionsgesellschaft Tōei hergestellt wurden, hat das allenfalls noch den Plot aus "Dankesschuld und Verrat" (Yomota) gemein. Die von Tōei hingegen in deren Studio in Tokio produzierten Streifen lehnten "Nostalgie nach traditioneller Formensprache, melodramatische Sentimentalität oder ähnliches rundherum ab" (Yomota).
Fukasaku setzt dem eine neue Formensprache entgegen. Nachrichtlich anmutende Einblendungen auf Standbilder führen die einzelnen Charaktere ein. Der Einsatz einer Handkamera und von Zooms bei gleichzeitiger Verwendung des Cinemascope-Verfahrens führt zu teils chaotisch anmutenden Actionsequenzen, die bis heute nichts von ihrer Dynamik verloren haben. So frisch Tempo, Chaos und eine unsentimentale Art seinerzeit auch auf das Publikum gewirkt haben müssen, sie sind gleichzeitig die größte Schwäche eines Films, dessen Regisseur sich wenig darum schert, ob sein Publikum den Überblick behält.
Die Emotionslosigkeit der Figuren macht es schier unmöglich, sich auch nur mit einer von ihnen zu identifizieren. Die wenigen Gefühle, die die Figuren zeigen, wirken aufgesetzt. Wüsste man es nicht besser, dann könnte man aufgrund der Unmenge an Figuren in schwer zu durchschauenden Hierarchien, der zahllosen Handlungsstränge und der vielen Zeitsprünge den Eindruck gewinnen, hier wäre die komplette Filmreihe als ein Best-of in die überschaubare Laufzeit von 99 Minuten gequetscht worden.
Fazit: Der japanische Regisseur Kinji Fukasaku revolutionierte mit seiner fünfteiligen Reihe "Battles without Honor and Humanity" das Genre des Yakuza-Films. Tempo, Action und Formensprache des 1973 entstandenen Auftaktfilms sind bis heute beeindruckend. Was die Figurenzeichnung und die Narration anbelangt, nimmt sich der Film hingegen fahrig, sprunghaft und chaotisch aus.
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Battles without Honor and Humanity"
Land: JapanJahr: 1973
Genre: Drama, Krimi
Originaltitel: Jingi naki tatakai
Länge: 99 Minuten
FSK: 16
Kinostart: 20.06.2024
Regie: Kinji Fukasaku
Darsteller: Bunta Sugawara als Shozo Hirono, Hiroki Matsukata als Tetsuya Sakai, Kunie Tanaka als Makihara Masakichi, Eiko Nakamura als Suzue Kunihiro, Tsunehiko Watase als Toshio Arita
Kamera: Sadaji Yoshida
Verleih: Rapid Eye Movies