FBW-Bewertung: Nymphomaniac Vol.1 (2013)
Prädikat besonders wertvoll
Jurybegründung: Auch an diesem Film von Lars von Trier scheiden sich die Geister. Die FBW-Jury spiegelt diese Rezeption. Zwischen völliger Ablehnung und Begeisterung gab es kein Mittelmaß und so fiel die knappe Entscheidung zwischen dem höchsten und gar keinem Prädikat. Für die eine Fraktion ist dies ein Film, der um der Provokation willen gemacht wurde und darüber hinaus keinerlei künstlerischen Wert besitzt. Für dieanderen ist er eine sowohl stilistisch wie auch inhaltlich nuancierte Analyse des Phänomens der Nymphomanie. Tatsächlich gleicht die Grundsituation der einer Psychoanalyse: Der Junggeselle Seligman(!) findet die zusammengeschlagene Joe auf dem Boden einer einsamen Gasse liegend. Er nimmt sie mit nach Hause, pflegt sie und ist verwundert über ihr extrem negatives Selbstbild. Auf seine Fragen hin, die nie wertend sind, beginnt Joe ausführlich von ihrem Leben zu erzählen. Ihre einzelnen Lebensstationen werden in Rückblenden in Szene gesetzt, die in Kapitel eingeteilt sind. Diese folgen jeweils sowohl dramaturgisch wie auch ästhetisch einem Grundthema, das sich spielerisch assoziativ aus dem Gespräch entwickelt. So wird die Suche nach Sexualpartnern mit dem Fliegenfischen vergleichen und die Qualitäten von mehreren Liebhabern wird mit den drei Stimmen in der polyphonen Musik von Johann Sebastian Bach gleichgesetzt. Lars von Trier arbeitet mit vielen stilistischen Rahmungen dieser Art, durch die NYMPHOMANIAC 1 mit einer virtuosen Kunstfertigkeit fasziniert. Dazu nutzt er eine große Palette an filmischen Mitteln, die von animierten Diagrammen über Sequenzen in schwarz-weiß bis zu grotesken Szenen führen wie jener, in der Joe mit zwei Liebhabern, einer Ehefrau und deren drei Söhnen zusammentrifft. Zugleich entfaltet er mit einer erschreckend düsteren Radikalität, wozu die Protagonistin durch ihre Sucht getrieben wird. Dabei arbeitet von Trier auch mit Bildern von Nacktheit und Sexualität, denen in ihrer Rohheit jede Sinnlichkeit fehlt. Von Trier hat hier auf der Höhe seines Könnens eine zutiefst pessimistische Vision von der Sexualität als eine zerstörerische Kraft geschaffen.Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)