FBW-Bewertung: Fifty Shades of Grey (2015)
Prädikat wertvoll
Jurybegründung: Der Film von Sam-Taylor-Johnson kann als Literaturverfilmung, als Drama, als Romanze und als Erotikfilm betrachtet werden. Eine eindeutige Genre-Zuordnung ist also schwierig. Aber gehen wir einmal davon aus, dass es sich um ein Drama handelt, das Elemente der Romanze und des Erotikfilms aufweist und Erwartungen erfüllen muss, die sich aus der Adaption eines der meistverkauften Bestsellers aller Zeiten ergeben.Die Geschichte ist bekannt: Eine 21-Jährige Literaturstudentin verliebt sich in einen jungen Milliardär, der sie in ein sadomasochistisches Rollenspiel verwickelt. Das kennen wir bereits aus den 1980er Jahren, als Mickey Rourke mit Kim Basinger 9 1/2 Wochen lang ähnlich verkehrte. Was hat sich geändert? Der Mann ist traumatisiert. Unter der ehemals postmodernen Oberfläche findet sich heute ein empfindsamer Mann, dessen sexuelle Identität empfindlich gestört ist. Daher kommt die Vorliebefür BDSM. Diese muss geheilt werden. Wer kann das? Am ehesten eine junge Frau, die diesen Mann bedingungslos liebt. Sie lässt sich also eine ganze Menge gefallen. Was sie sich aber nun genau gefallen lassen muss, welche sexuellen Praktiken der Film wie zeigt und mit welchen dramaturgischen Mitteln das Wechselspiel von Nähe und Distanz, von Ablehnung und Anziehung, von rastlosem Begehren und geduldiger Vernunft inszeniert ist, darin ist die Qualität des Films zu messen.
Die Dramaturgie hat märchenhafte Züge. Die junge Anastasia gerät in eine faszinierende fremde Welt. Durch ihre Persönlichkeit (neugierig, liebenswert, altruistisch, gebildet) ist sie dazu geeignet, diese Welt von ihren Dämonen zu befreien. Auf eine Art ist sie wie Dorothy in WIZARD OF OZ, nur ist die Welt hier eine banale Konsumwelt. Zudem ist ?Oz? vor allem auch die Seele von Christian Grey und die ist inseinem BDSM-Raum gefangen. Was sich dort abspielt, sind sexuelle Praktiken und Spielarten, die eventuell nur noch für einen geringen Teil des Publikums Grenzüberschreitungen darstellen sollten. Ob das, was wir sehen, erotisch ist oder nicht, hängt vom Betrachter ab, da sind die ästhetischen Geschmäcker natürlich sehr verschieden. Die Entwicklung der Beziehung zwischen den beiden Protagonisten ist solide und nach klassischem Muster aufgebaut und hält daher eher wenige Überraschungen bereit. Es finden sich auch Redundanzen in der Narration. Die beiden Hauptdarsteller wissen jedoch zu überzeugen und der Film hat seine großen Momente, so etwa, wenn Anastasia und Christian die Punkte des Vertrags durchgehen, der ihre Beziehung und ihre sexuellen Praktiken regeln soll. Diese Szene überzeugt durch eine reizvolle Ambivalenz. Außerdem zeigt sich hier besonders deutlich die gesellschaftliche Relevanz des Films (wie auch schon der Romane). Es geht um die Liebe in Zeiten des Kapitalismus. Welche Träume und Sehnsüchte, aber auch Realitäten, Beziehungen in unserer Gegenwart beeinflussen, darüber lässt sich anhand des Films trefflich diskutieren.
Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)