FBW-Bewertung: Viel Lärm um Nichts (2012)
Prädikat besonders wertvoll
Jurybegründung: Shakespeares Komödien und Tragödien gehören zu den meist aufgeführten und verfilmten Bühnenstücken der Weltliteratur. Gerade die Komödie ?Viel Lärm um nichts? über Liebe und Intrigen verfügt über eine zeitlose Qualität, die weit über Stil und Struktur damaliger Stücke hinausweist und deshalb bis heute frisch und modern erscheint. Sie ist geistreich, scharfsinnig und kann selbst jetzt noch viel über die Liebe, Zweifel, Verunglimpfung und Manipulierbarkeit von Liebenden erzählen. In Zeiten, in denen selbstbewusste junge Frauen (wie Beatrice) sich wortgewandt nicht die Butter vom Brot nehmenlassen, gleichzeitig ihre Integrität aber durch soziale Medien in Windeseile infrage gestellt werden kann (wie im Falle von Hero), hat der Stoff eine überraschende Aktualität und bietet sich daher für eine moderne Adaption an.Genau das hat Joss Whedon getan, als er das Stück fern allerHollywood-Konventionen in knapp zwölf Tagen mit befreundeten Schauspielern in seinem Privathaus in Santa Monica, Kalifornien, drehte. Shakespeares Text (der auch in der deutschen Synchronfassung fasziniert) hat er getreulich beibehalten, aber das Milieu ist modern: Im Auto fährt Don Pedro, Prinzvon Aragon, mit seinen Offizieren Claudio und Benedikt nach erfolgreichem Feldzug bei seinem Freund Leonato, dem Gouverneur von Messina, vor. Seine Tochter Hero und seine Nichte Beatrice sehen dem Besuch erwartungsfroh entgegen. Die Herren tragen Anzug, die Damen leichte Sommerkleider, das Haus istzeitlos modern eingerichtet. Die Diskrepanz zwischen Sprache und zeitlicher Einordnung der Ereignisse irritiert nur kurz, bald erscheint der Ausdruck durch die Souveränität und Spielfreude der Darsteller völlig natürlich. Geredet wird ständig, mal im leichten Plauderton, mal in scharfzüngigenWortgefechten, wobei die Schwarz-Weiß-Optik (insbesondere im fulminanten Schlagabtausch zwischen Beatrice und Benedikt) Erinnerungen an die klassischen amerikanischen Screwball-Komödien aufleben lässt.
Die Darsteller sind ständig in Bewegung, und die leichte Handkamera folgt ihnen fließend durch die Räume, in den Garten, zum Pool. Die brillante Montage fasst die Szenen elegant und temporeich zusammen. Mit großer Lust an Bildern gelingt es, mit wenigen Personen und Attraktionen, wie einer wunderbar gestalteten Trapez-Nummer, ein rauschendes Fest zu inszenieren. Gedreht wurde weitgehend mit natürlichem Licht, das keine harten Kontraste, sondern fein abgestufte Grautöne erzeugt. Der häufige Gebrauch von Spiegeln, Glas und Fenstern verweist auf die Doppelbödigkeit der Dialoge. Darüber liegt die von Joss Whedon selbstkomponiert rauchige Jazzmusik mit einer Lounge-Version des Shakespeare-Liedes ?Sigh No More, Ladies?, die die entspannte Stimmung unterstreicht.
Joss Whedons verzichtet in seiner modernen Shakespeare-Adaption auf Action und popkulturelle Bezüge, wie sie Baz Luhrmans ROMEO UND JULIA auszeichneten. Er gibt sich geistreich und entspannt und gestaltet mit seiner Version von ?Viel Lärm um nichts? einen wunderbar leichten ?Sommernachtstraum?.
Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)