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Empire Me - Der Staat bin ich! (2011)

Deutscher Dokumentarfilm über alternative Netzwerke und soziale Experimente wie das Fürstentum von Sealand oder der Freistaat Christiana...Kritiker-Film-Bewertung: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse / 5
User-Film-Bewertung [?]: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 5.0 / 5

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Weltweit existieren hunderte Do-It-Yourself-Staaten, Mikronationen und Eco-Villages - Gegengesellschaften, deren Bewohner der globalisiserten Weltordnung eine Kampfansage entgegegenschmettern: Wenn Dir Deine Welt nicht passt - bau Deine eigene! Im Film werden sechs dieser Alternativgesellschaften vorgestellt:

Das seit 1967 unabhängige 500 Quadratmeter große "Fürstentum Sealand" vor der Küste Englands. Die erste nach internationalem Seerecht anerkannte Mikronation befindet sich auf einer Fliegerabwehrplattform, die vom Gründer Roy Bates gekapert wurde. Während Bates inzwischen wieder auf dem britischen Festland lebt, leitet "Prince Michael of Sealand" die Geschäfte - unter anderem eine riesige Serverstation, auf der er auch Seiten laufen lässt, die anderswo illegal sind.

In der australischen "Provinz Hutt River" erklärten hingegen in den 1970er Jahren einige aufständische australische Bauern ihre Unabhängigkeit, nachdem sie von einem korrupten Gericht enteignet wurden. Mit Familie und Kindern lebt der inzwischen 80-jährige König Leonard Casley in einer abgewrackten Farm, seine Gläubiger und Beamte haben inzwischen aufgegeben - während die Provinz Hutt River, die es zu immerhin acht offiziellen Botschaften weltweit gebracht hat, zu einer Touristenattraktion geworden ist.

In dem italienischen Öko-Dorf "Föderation von Damanhur" nahe Turin haben hunderte Bewohner über Jahrzehnte illegal eine kilometerlante unterirdische Tempelanlage gebaut, die den Kontakt zu Göttern und Außerirdischen ermöglichen soll. In der inzwischen als Kulturgut anerkannten Anlage widmen sich die Bewohner der "Mystery School" und weißmagischen Zirkeln und Riten unter Leitung ihres geistigen Führers Falco - angeblich ein Zeitreisender.

80 Kilometer westlich von Berlin befindet sich das "Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung", eine sexuell orientierte Therapie-Kommune. Neuen Besuchern, bei denen vor allem die Phantasien von freien Orgien brodeln, wird hier über den Partnertausch hinaus das Prinzip der Problem-Aufarbeitung in der Gruppe und Methoden der Selbstfindung nahe
gebracht.

Mitten in Kopenhagen liegt mit dem "Freistaat Christiana" eine oft totgesagte Legende der 68er-Generation. Bislang bietet das Gelände mit seinen selbst erbauten Häusern diversen Subkulturen Unterschlupf. Doch der Abriss zwecks Stadtverschönerung steht bevor und ständig patroullieren bewaffnete Polizeibataillons durch das Gelände und durchsuchen unangekündigt die Häuser der Bewohner. Eine Eskalation ist abzusehen.
"Die schwimmenden Städte von Serenissima" sind nur für kurze Zeit erdachte schwimmende Märchenwelten: Die alljährlich von amerikanischen Künstler-Punks für nur eine Reise erbauten große Flöße bieten Platz für etwa 30 Personen, die damit über internationale wasserwege befahren und sie am Ende der Reise wieder abreißen.

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Wie groß muss eine Nation sein, damit sie wahrgenommen wird? Wie mächtig, dass sie als bedeutend gilt? Weit über 500 Mikronationen ringen derzeit am Rande der globalisierten Welt um ihre Existenzberechtigung. Manche davon sind nicht größer als ein paar Fußballfelder. Nicht alle sind von der Völkergemeinde als eigenständige Staaten anerkannt. Viele sind nichts weiter als utopistische Aussteiger-Lebensmodelle, kommunenhafte Gebilde, die bisweilen sogar ohne einen eigentlichen Führer auskommen. Andere sind Ministaaten mit selbstausgerufenen Prinzen als Oberhäuptern.
Auf der Route manch eines Abenteuer- oder Individualtouristen sind Visa dieser Zwergstaaten nettes, schmückendes Beiwerk im Reisepass. Wer kann schließlich von sich behaupten schon mal nach "Ladonia" gereist zu sein, einer Mikronation an der schwedischen Küste gelegen, in der Steuern mittels Kreativität und nicht durch Geld entrichtet werden.
Der Künstler und Filmemacher Paul Poet begab sich auf eine achtjährige Reise zu einer Vielzahl dieser Gebilde. Entstanden ist daraus die Dokumentation "Empire Me", in der exemplarisch sechs dieser Lebensmodelle vorstellt werden: "Sealand", "Hutt River", "Damanhur", "ZeGG", "Christiana" und die "Schwimmenden Städten von Serenissima". Allesamt Versuche Lebensrealitäten jenseits althergebrachter Regeln und Konventionen zu erschaffen.
Es ist das Leben gegen den Strom, dass diese Menschen antreibt sowie zugleich der Versuch sich in einer Welt, in der Freiheitsgrade immer mehr dahinschmelzen, eine Stück individueller Verwirklichung zu erkämpfen.
Poet gelingt es in seinem Film nicht nur, diese mitunter sehr absurd anmutenden Utopien von einem besseren Leben, überaus lebendig darzustellen; er kommt diesen Menschen, trotz der Kamera, die zwangsläufig immer auch Eindringling ist und damit automatisch Distanz aufbaut, entscheidend nahe, so dass er über den Beobachterstatus hinaus, selbst zu einem Stück des Puzzles dieser elementaren Sinnsuche wird. Seine Gedanken, die als Off-Kommentar stets mitschwingen, spiegeln die Intention wieder, mit der der Regisseur diesen Parallel- und Gegenentwürfen vorbehaltlos offen begegnete.
"Empire Me" führt zu Orten, die theoretisch gleich nebenan existieren könnten oder tausende von Kilometern weit entfernt sind. Mehr als die Überbrückung von geografischen Distanzen ist es die besondere Leistung des Films, vor allem Distanzen in den Köpfen zu überwinden und Brücken zu schlagen. Damit ermöglicht er nicht nur den Zugang zu alternativen Daseinsexperimenten, sondern gibt dem Zuschauer die Chance, über sich selbst nachzudenken und den Status des Zustandes der eigenen Lebensverwirklichung zu überprüfen. Eine Gelegenheit, die man sich nicht entgehen lassen sollte.




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Besetzung & Crew von "Empire Me - Der Staat bin ich!"

Land: Deutschland, Luxemburg, Österreich
Weitere Titel: Empire Me: New Worlds Are Happening!
Jahr: 2011
Genre: Dokumentation
Länge: 98 Minuten
FSK: 12
Kinostart: 19.01.2012
Regie: Paul Poet
Darsteller: Esperide Ananas, Robert Jelinek, Michael Bates, Leonard Casley, Caledonia Curry
Kamera: Gerald Kerkletz, Jerzy Palacz, Enzo Brandner
Verleih: Real Fiction

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MIKRONATIONEN – ein Exkurs

Mikronationen sind real gelebte Utopien in der Welt des beginnenden 21. Jahrhunderts. Staaten, die offiziell eigentlich nicht existieren dürften, für die [...mehr] im „globalen Dorf“ scheinbar kein Platz ist. Dazu zählen auch neue Kommunenarten wie „Intentional Communities“ und „Eco-Villages“, Sezessionsbewegungen, Enklaven, Sekten, Squatter, Neo- Pagans sowie wandernde nomadische Stämme im urbanen Raum. Wie jede Subkultur, die sich gerade in Bewegung und Entwicklung befindet, lehnen sie alle einen einheitlichen gemeinsamen Überbegriff ab. Ihnen allen gemeinsam ist die Flucht vor der Engmaschigkeit der als erdrückend erlebten globalisierten Weltordnung. Diese Flucht äußert sich im kreativen gemeinschaftlichen Erbauen einer tatsächlich bewohnten Gegenwelt.

Mit Fantasienamen wie Rübezahlia und Nobinobi und der oftmaligen Selbsternennung zum Königreich sind Mikronationen die skurrilste und ungewöhnlichste Form der Abkapselung als souveränes Territorium. Mikronationen sind aber auch dezidiert politisch. Sie nutzen geschickt Grauzonen des nationalen wie internationalen Rechts. Sie deklarieren ihren eigenen Staat in verlassenen Minen oder Tempeln, auf Sandbänken und Riffs auf offener See. Manchmal sind es Meeresplattformen, manchmal sogar Eisberge oder Asteroiden. Meist aber sind es bestimmte Stadtteile oder Farmen, wo es strittig ist, welche Staats- oder Besitzansprüche dafür geltend gemacht werden können. Die Erklärung zum Königreich als nationalstaatliche Form ist dabei nicht nur Narzissmus, sondern juristisch gesehen die leichteste Form sich zu konstituieren und international auch akzeptiert zu werden.

Mikronationen berufen sich dabei auf die 1933 beschlossene Konvention von Montevideo, nach der ein souveräner Staat eine ständige Bevölkerung, ein definiertes Staatsgebiet, eine Regierung und die Fähigkeit, mit anderen Staaten in Beziehung zu treten, haben muss. Neben diesen besitzen Mikronationen meist auch eine eigene Währung, Staatshymnen, Gesetze, Briefmarken, Zeitungen, manche eigene Öko-Systeme und Kirchen, manchmal sogar eigene Sprachen. Sie haben meist eine sehr kleine Population. Manche setzen den Schritt zum Weltenerbauen aus Geschäftemacherei, aus existentieller Not, aber auch als politische Agitation.

Das Hauptziel ist die Anerkennung durch andere Staatsmächte, bevorzugt durch die UNO. Es zahlt sich aus, denn schließlich resultiert das in diplomatischer Immunität, Unabhängigkeit, Steuerfreiheit im Fall der Abnabelung von anderen Ländern. Es berechtigt zu Handelsabkommen und Wirtschaftszweigen wie Waffenherstellung und medizinische Behandlungen, die anderswo verboten wären.

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