Der mit den Fingern sieht (2010)
Dokumentation über einen türkischen Maler, der nachweislich von Geburt an blind ist - und dennoch in der Lage, realistische Bilder zu malen...Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Der blinde Maler Esref Armağan hat noch nie in seinem Leben etwas gesehen: keine Farben, keine Formen, keine Räume, keine Gegenstände. Kein Schwarz und kein Weiß. Kein Licht und kein Schatten. Dennoch malt er all dies so, als könne er es sehen. Er ist ein künstlerisches und wissenschaftliches Phänomen. Man könnte seine Fähigkeiten für so unglaublich halten, dass man eine Täuschung vermuten müsste. Aber der
türkische Maler ist nachweislich seit seiner Geburt blind.
Professor John Kennedy, Psychologe an der Toronto University, untersucht seit über 35 Jahren Blinde. Auch für den Professor ist dies der erste Blinde, der so etwas kann. Esref Armağan malt Gegenstände und Landschaften exakt wie sie aussehen. Zudem malt er perspektivisch, die Dimensionen und Fluchtpunkte seiner Bilder sind realistisch und exakt.
Dass ein Blinder, der niemals gesehen hat, diese Fähigkeit besitzt, ist so unglaublich, dass Alvaro Pascual-Leone, Neurologe an der Harvard University, das Gehirn des blinden Malers untersucht hat. Der Harvard Experte ließ Esref in einem Kernspintomographen liegend zeichnen und fand Erstaunliches heraus: Armağans visueller Kortex reagiert beim Malen wie der eines Sehenden. Pascual-Leone ist sich sicher: „Man kann sagen, dass Esref mit seinen Fingern sieht.“
Esref Armağan ‚begreift‘ die Welt. Er sieht mit den Fingern. Er lässt sich Formen und Farben beschreiben und merkt sich alles. Seit seinem sechsten Lebensjahr. Zuerst malte er mit einem Stock im Sand, mit Nägeln auf Holz, dann mit Bleistift und Pinsel. Heute malt er mit seinen Fingern. Esref Armağan kommt aus armen Verhältnissen und hat nie eine Schule besucht. Lange war er hilflos und mittellos. Heute hat der 57-jährige Türke Ausstellungen in Istanbul, Chicago, Shanghai, in Holland, Tschechien und Italien.
Der Filmemacher Savas Ceviz hat den einzigartigen Maler in seinem Alltag begleitet und ihm beim Malen über die Schulter geschaut. Esref zeigt dem Regisseur die Techniken und Geheimnisse, die er sich in mehr als vier Jahrzehnten angeeignet hat.
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Filmkritik
Esref Armagan ist Maler. Am liebsten malt er Landschaften oder Blumenwiesen, über die farbenfrohe Schmetterlinge fliegen. Doch er malt auch im Auftrag - ein Porträt von und für Bill Clinton, eine Kopie des im New Yorker Moma hängenden Matisse-Gemäldes "Der Tanz" für eben jenes New Yorker Museum of Modern Art...
Wie jetzt, eine Kopie?
Nun, Armagan ist nicht nur Maler - er ist auch blind. Und die Kopie eines Gemäldes, hergestellt von einem Blinden - dem einzigen bekannten blinden Maler weltweit, der sowohl das Original als auch seine Kopie nie sehen, sondern nur ertasten konnte - das ist ohne Frage museumsreif. Und natürlich ist die Lebensgeschichte des Mannes auch filmreif:
Nach eigener Aussage hat Armagan mit etwa vier Jahren gemerkt, dass er anders ist als andere. Dass ihm immer gesagt wird, wo jene Dinge stehen, nach denen er gerade greifen will - anderen jedoch nicht. Ein Jahr später bestätigte ein Arztbesuch die vollständige Blindheit des Jungen. Durch Medikamente, die seine Mutter in der Schwangerschaft eingenommen hatte, war ein Auge komplett verkümmert. Das zweite könnte nach der Geburt noch eine minimale Sehfähigkeit gehabt haben, ist allerdings reichlich unwahrscheinlich, da jene Gehirnareale, die bei gesunden Menschen optische Eindrücke verarbeiten, bei ihm mit dem Tastsinn verknüpft sind. Entsprechend ist sein Gehirn gar nicht darauf ausgelegt, optische Eindrücke zu verarbeiten - statt dessen "sieht" Armagan tatsächlich mit den Fingern. Und genau so malt er auch. Angefangen hat er, der nie eine Schule besucht hat, mit Bildern, die er mit einem Stock in den Sand oder mit einem Messer in Pappe ritzte, so dass er die Linien ertasten konnte. Sehende, insbesondere seinen Vater, bat er um Rückmeldung. Später, als sein Tastsinn geschulter war, stieg er auf Fingerfarben um. Die benutzt er heute noch für seine erstaunlich naturalistischen und farbenfrohen Bilder. Er ließ sich den Zusammenhang von Licht und Schatten erklären und lernte die Farben von unterschiedlichen Gegenständen auswendig. Wie alles in seiner Wohnung stehen auch die Farben in seinem Atelier in einer festen Reihenfolge geordnet. Ohne diese Ordnung wäre er aufgeschmissen. Ohne Frage: das Leben eines Blinden, insbesondere eines blinden Malers, erfordert höchste Konzentrationsfähigkeit und so einige intellektuelle Anstrengungen.
Die Doku von Savas Ceviz macht dies nachvollziebar, indem sie Armagan und seiner (ebenfalls blinden) Frau durch alltägliche Situationen, wie etwa einen Marktbesuch, aber auch zu Arztbesuchen, neurologischen Untersuchungen, Vorträgen folgt, wichtige Lebensstationen nachzeichnet und die biographischen Informationen mit Erklärungen für sein künstlerisches Talent verknüpft. Auch die von Armagan selbst entwickelte Maltechnik, die seine Kunst erst möglich macht, wird erläutert. Daneben kommen Weggefährten zu wort - Ehefrau, Agentin und Ärzte, die weitere Hintergründe liefern. So liefert sie eine verständliche Erklärung für ein nahezu unglaubliches, weltweit einzigartiges Phänomen.
Fazit: Sehenswerte Doku, die ein weltweit einmaliges, für gesunde Sehende nur schwer zu verstehendes Phänomen nachvollziehbar macht.
Wie jetzt, eine Kopie?
Nun, Armagan ist nicht nur Maler - er ist auch blind. Und die Kopie eines Gemäldes, hergestellt von einem Blinden - dem einzigen bekannten blinden Maler weltweit, der sowohl das Original als auch seine Kopie nie sehen, sondern nur ertasten konnte - das ist ohne Frage museumsreif. Und natürlich ist die Lebensgeschichte des Mannes auch filmreif:
Nach eigener Aussage hat Armagan mit etwa vier Jahren gemerkt, dass er anders ist als andere. Dass ihm immer gesagt wird, wo jene Dinge stehen, nach denen er gerade greifen will - anderen jedoch nicht. Ein Jahr später bestätigte ein Arztbesuch die vollständige Blindheit des Jungen. Durch Medikamente, die seine Mutter in der Schwangerschaft eingenommen hatte, war ein Auge komplett verkümmert. Das zweite könnte nach der Geburt noch eine minimale Sehfähigkeit gehabt haben, ist allerdings reichlich unwahrscheinlich, da jene Gehirnareale, die bei gesunden Menschen optische Eindrücke verarbeiten, bei ihm mit dem Tastsinn verknüpft sind. Entsprechend ist sein Gehirn gar nicht darauf ausgelegt, optische Eindrücke zu verarbeiten - statt dessen "sieht" Armagan tatsächlich mit den Fingern. Und genau so malt er auch. Angefangen hat er, der nie eine Schule besucht hat, mit Bildern, die er mit einem Stock in den Sand oder mit einem Messer in Pappe ritzte, so dass er die Linien ertasten konnte. Sehende, insbesondere seinen Vater, bat er um Rückmeldung. Später, als sein Tastsinn geschulter war, stieg er auf Fingerfarben um. Die benutzt er heute noch für seine erstaunlich naturalistischen und farbenfrohen Bilder. Er ließ sich den Zusammenhang von Licht und Schatten erklären und lernte die Farben von unterschiedlichen Gegenständen auswendig. Wie alles in seiner Wohnung stehen auch die Farben in seinem Atelier in einer festen Reihenfolge geordnet. Ohne diese Ordnung wäre er aufgeschmissen. Ohne Frage: das Leben eines Blinden, insbesondere eines blinden Malers, erfordert höchste Konzentrationsfähigkeit und so einige intellektuelle Anstrengungen.
Die Doku von Savas Ceviz macht dies nachvollziebar, indem sie Armagan und seiner (ebenfalls blinden) Frau durch alltägliche Situationen, wie etwa einen Marktbesuch, aber auch zu Arztbesuchen, neurologischen Untersuchungen, Vorträgen folgt, wichtige Lebensstationen nachzeichnet und die biographischen Informationen mit Erklärungen für sein künstlerisches Talent verknüpft. Auch die von Armagan selbst entwickelte Maltechnik, die seine Kunst erst möglich macht, wird erläutert. Daneben kommen Weggefährten zu wort - Ehefrau, Agentin und Ärzte, die weitere Hintergründe liefern. So liefert sie eine verständliche Erklärung für ein nahezu unglaubliches, weltweit einzigartiges Phänomen.
Fazit: Sehenswerte Doku, die ein weltweit einmaliges, für gesunde Sehende nur schwer zu verstehendes Phänomen nachvollziehbar macht.
Julia Nieder
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Besetzung & Crew von "Der mit den Fingern sieht"
Land: DeutschlandJahr: 2010
Genre: Dokumentation
Länge: 90 Minuten
FSK: 0
Kinostart: 12.05.2011
Regie: Savas Ceviz
Kamera: Marco Uggiano
Verleih: MusOna Filmverleih