FBW-Bewertung: Lauf Junge lauf (2012)
Prädikat besonders wertvoll
Jurybegründung: Es sind gerade die Zeugnisse der wenigenÜberlebenden, die den Schrecken des Holocaust am Nachdrücklichsten vermitteln. In dieser Tradition ist auch LAUF JUNGE LAUF verortet, und Pepe Danquart hat es sich mit seinem neuen Kino-Spielfilm nicht einfach gemacht, denn solch eine wahre Geschichte muss so wahrhaftig wie möglich erzählt werden. Und dies gelingt Danquart hier sehr beeindruckend. Am Anfang des Films lernen wir Srulik als einen verwilderten Jungen kennen, der sich alleine im Wald durchschlägt, auf Bäumen schläft und sich von Beeren und kleinen Tieren ernährt. Der Winter zwingt ihn zurück in die Zivilisation, und wir erleben im Laufe des Films seine Entwicklung, die ihn immer mehr zu einem Überlebenskünstler werden lässt, der lernen muss, wem er vertrauen kann. Als Jude nimmt er dabei immer perfekter die Identität des katholischen Polen Jurek an. Erzählt wird konsequent aus der Perspektive des Jungen, der erlebt, wie schäbig und wie nobel die Menschen sich verhalten können. Und dabei ist die Grenze zwischen Gut und Böse nicht so eindeutig, wie man es erwartet. Ein SS-Offizier kann, wenn auch aus einer Laune heraus, das Leben des Jungen verschonen und eine polnische Bäuerin kann ihn ohne Not an seine Vernichter ausliefern. Viele helfen ihm selbstlos und diese kleinen unbesungenen Helden kommen hier zu ihrem Recht. Das Drehbuch ist klug konstruiert, es überrascht ständig und die wenigen Rückblenden sind dramaturgisch geschickt gesetzt. Dazu erzählt Pepe Danquart sehr visuell mit großartigen, atmosphärisch reichen Bildern, die für das Kino gemacht sind. Alle Rollen sind fehlerlos besetzt und das Ensemble spielt durchweg inspiriert. Danquart ist auch ein Schauspieler-Regisseur, der viel aus seinen Darstellern herausholen kann. Dies gelingt ihm besonders bei dem Zwillingspaar Andrzeyund Kamil Tkacz, die den Protagonisten sehr glaubwürdig und intensiv verkörpern.Weil wir die Welt mit seinen Augen sehen, ist es so wichtig, dass wir uns in ihn hineinversetzten können, und dies funktioniert hier so gut, weil Danquart die jungen Darsteller einfühlsam geführt hat. So wirkt in seinem Film alles wie aus einem Guss, und wenn man schließlich den realen Yoram Fridman mit seinen Kindern und Enkeln sieht, ist dies ein optimistischer Abschluss dieses zutiefst humanen Films.
Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)