FBW-Bewertung: Aufbruch zum Mond (2018)
Prädikat besonders wertvoll
Jurybegründung: Es hätte auch eines von diesen für das amerikanische Kino typische Heldenepos werden können: Neil Armstrong, der erste Mensch, der einen Fußabdruck auf dem Mond hinterließ, eignet sich ideal für solch eine Geschichte vom tapferen und klugen Tatmenschen, der den amerikanischen Traum verwirklicht und zugleich selbstlos bereit ist, sich für seine Mission zu opfern. Aber Damien Chazelle, der vor zwei Jahren mit LA LA LAND als jüngster Regisseur aller Zeiten einen Oscar gewann, war nicht interessiert an dieser Art von Film. Tatsächlich beschwerten sich nach der Premiere auf den Filmfestspielenin Venedig einige darüber, dass in dem Film nicht gezeigt wird, wie Armstrong die amerikanische Flagge auf dem Mondboden aufstellt. Ein republikanischer Senator warf ihm sogar ?Antiamerikanismus? vor. Dabei war Chazelles Entscheidung, die Geschichte subjektiv aus der Perspektive von Armstrongund in einigen Sequenzen auch seiner Ehefrau zu erzählen, richtig. Denn den ultimativen Astronautenfilm, der die Geschichte des amerikanischen Raumfahrtprogramms in grandiosen Panoramaeinstellungen erzählt, gibt es mit THE RIGHT STUFF von Philip Kaufmann aus dem Jahr 1983 schon. Statt also wie dort die Raketenstarts als große Spektakel von außen zu zeigen, geht Chazelle lieber mit Armstrong in die Kapseln hinein und zeigt, welchen Strapazen sein Körper bei den Beschleunigungen ausgesetzt sind und dass es nicht viel mehr als dünne Blechbüchsen sind, mit denen Armstrong zuerst ins All unddann auf den Mond geflogen ist. Einige dramatische Szenen, in denen Armstrong sowohl körperlich wie auch psychisch an die Grenzen seiner Belastbarkeit gelangt, werden minutenlang, wie in Echtzeit ausgedehnt, sodass der Eindruck davon, welchen Kräften ein Astronaut damals ausgesetzt war, intensivvermittelt wird. Das Drehbuch basiert auf der von Armstrong autorisierten Biografie von James R. Hansen und folgt der Karriere von Armstrongs Anfängen als Testpilot über seine Arbeit als Astronaut beim ?Gemini?-Programm bis zu seiner historischen Mondlandung im Mai 1969. Die Entwicklung des amerikanischen Raumfahrtprogramms, das Wettrennen mit der Sowjetunion, die zum Teil tragischen Rückschläge ? all das wird eher en passant erzählt, denn der Film bleibt immer nah an Armstrong und seiner Familie. Er zeigt, wie der frühe Tod seiner ersten Tochter einen nachdenklichen, schweigsamenMann aus ihm machte und welche Belastung seine oft lebensgefährlichen Missionen für seine Frau (Claire Foy in einer oscarwürdigen Leistung) bedeuteten. Der Film ist sehr authentisch ausgestattet und es gelingt Chazelle, die Bilder von der Mondlandung, die ja jeder im Original kennt, zugleich überzeugend nachzubauen und durch die andere Perspektive dann doch neu wirken zu lassen. Aber all das wird hier nicht ausgestellt, sondern fügt sich in die zugleich einfühlsam und komplex erzählte Lebensgeschichte von Armstrong ein. Dieser wird von Ryan Gosling überzeugend als ein introvertierter Einzelgänger verkörpert, der von seiner Ehefrau fast dazu gezwungen werden muss, sich vor seiner Mondfahrt von seinen verängstigen Kindern zu verabschieden. Die Landung des ersten Menschen auf dem Mond ist eine der bekanntesten Geschichten des letzten Jahrhunderts, aber sie wird hier so anders undmitreißend erzählt, dass man am Ende wirklich gespannt darauf ist, ob und wie es Armstrong gelingt, seine Mission zu erfüllen.Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)